Erklärung der Gruppe "tuwat" vom 23.5.2003

Am 24.4.2003 hat die CDU-Mehrheit der Lübecker Bürgerschaft beschlossen, den Mietvertrag des selbstverwalteten Zentrums “alternative” nicht über das Jahr 2004 hinaus zu verlängern.

Was uns bleibt - Widerstand!

 

Die CDU führte in ihrem Antrag in der Bürgerschaft wirtschaftliche Gründe für ihren Schritt an. Das Gelände, auf dem sich die “alternative” befinde, sei ein “Filetstück” und diese müsse mit einem Umzug ihren Beitrag zum Aufschwung Lübecks leisten.

Derzeit scheint keinerlei Investor für das Gelände der alternative, noch für die nebenan geplante Messehalle vorhanden zu sein. Dies macht deutlich, dass es der CDU neben wirtschaftlichen Aspekten auch um grundsätzlich

ideologische Ablehnung der Projekte auf der alternative geht.

Ein Umzug der alternative ist für uns indiskutabel. Der jetzige Standort ist genau der richtige, es gibt keine Gründe, sich dort weg zu bewegen. Der Auftrag der CDU an den Bürgermeister, eine Ersatzgelände zu finden, ist reine Augenwischerei. Es gibt schlichtweg kein stadtnahes Ersatzgelände, dem die CDU letztlich zustimmen würde. All diese wären ebenso „Filetstücke” wie der jetzige Standort. Tatsächlich soll die alternative, wenn nicht gleich plattgemacht, so doch zumindest an den Stadtrand gedrängt werden. Dies würde einen deutlichen Verlust der Wirkungsmöglichkeiten der alternative mit sich bringen. Sie muss für ihre Arbeit stadtnah gelegen und gut erreichbar sein.

Zudem gibt es doch in der Lübecker Innenstadt noch so zahlreiche andere wirtschaftlich nutzbare „Filetstücke” wie das des Stadttheaters, dessen Vertreibung selbstverständlich nicht in Betracht gezogen wird. Auch bei dieser Frage macht sich die ideologische Feindschaft der CDU gegenüber der alternative bemerkbar.

Die sich seit nunmehr 25 Jahren auf der alternative befindliche politische und subkulturelle Szene war und ist der Stadt immer wieder ein Dorn im Auge. So gab es im Zusammenhang mit politischen Aktionen immer wieder Polizeieinsätze und Hausdurchsuchungen auf dem Gelände. Ebenso gab es immer wieder hetzerische Artikel in den Medien, die versuchten, die alternative z.B. als verwahrloste Drogenhölle dastehen zu lassen. Neben derlei Angriffen war die alternative auch immer wieder Naziangriffen ausgesetzt, was besonders in den frühen 80ern zu Problemen führte. Nichtsdestotrotz konnte die alternative sich 25 Jahre lang erhalten- trotz allen Angriffen von außen und internen Streitigkeiten.

 

Solidarität ist eine Waffe

 

Mittlerweile macht sich in Lübeck (und nicht nur dort!) eine breite Solidarität mit der alternative bemerkbar. Unter anderem wurden bereits annähernd 5000 Unterschriften für den Erhalt gesammelt. Doch auch mit Solidarität sollte stets kritisch umgegangen werden. Versuche von Parteien, den Konflikt um die alternative für ihre Agitation zu nutzen, müssen als solche erkannt und es muss entsprechend vorsichtig damit umgegangen werden.

Das Gefasel der SPD, sie trete für den Erhalt der alternative am jetzigen Standort ein, ist eine reine Farce. Denn sie hätte noch im Februar die Möglichkeit gehabt, den Mietvertrag dauerhaft zu verlängern, was sie ablehnte. Dies mit dem deutlichen Verweis auf wahlkampftaktische Gründe. Sie hatte sich erhofft, möglichst viele Menschen würden ihre Stimme der SPD geben, um quasi indirekt für den Erhalt der alternative zu stimmen. Läge der SPD tatsächlich etwas an der alternative, hätte sie anders gehandelt.

Der Widerstand der alternative und ihrer UnterstützerInnen darf sich solchen Anbiederungen nicht verkaufen und sollte vor allem Wert auf den Aufbau einer unabhängigen Bewegung setzen. Denn nur eine solche - das haben die letzten Jahre immer wieder gezeigt- ist in der Lage, selbstbestimmte Räume durchzusetzen. Die vorhandene breite Unterstützung muss begrüßt und ausgebaut werden - dabei haben wir es jedoch nicht nötig, uns in wahlkampftaktische Spielchen von Parteien einbinden zu lassen. Parteien haben stets das Ziel, den eigenen Einflussraum zu vergrößern und sind daher selten zuverlässige Bündnispartner.

 

Messehalle - alles klar?!

 

Dem Bau einer Messehalle in Lübeck muss sich nicht nur, wenn diese droht, die alternative indirekt zu verdrängen, entgegengestellt werden. Eine solche Messehalle würde keinerseits eine positive kulturelle Entwicklung mit sich bringen. Es würde schlicht ein weiterer Palast entstehen, der rein nach kapitalistischen Verwertungskriterien handelt:

Angesagt und als Kultur definiert ist lediglich das, was Geld bringt, alles andere - wie auch die alternative - zählt nicht. Ebenso die zahlreichen Menschen, die sich das Angebot einer derartigen Messehalle schlichtweg nicht leisten könnten.

Mit dem Bau einer solchen Messehalle direkt verbunden sind meist Aspekte, auf die die CDU-Regierung ohnehin hinzielt: Vertreibung von Nicht-Kaufkräftigen Menschen aus dem Stadtbild, (Kamera)überwachung, Umstrukturierung, Sanierung, Hetze gegen PlakatiererInnen und alles, was sonst als „Schmutz” empfunden wird.

 

Wider der Logik der Verwertung!

 

Mit ihrer Auffassung von Kultur reiht sich die CDU in den Diskurs des gesellschaftlichen Mainstreams ein. Für uns wird der Verbleib der alternative auf der Wallhalbinsel nicht dadurch legitimer, dass sie viele BesucherInnen und Aufgaben „für Lübeck”, also „der Stadt” zugute kommende Aspekte, hat. Wir wollen keine dem sozialen Frieden dienliche, sondern eine politisch bewusst unbequeme alternative. Entscheidend ist, dass hier ein Schlag gegen selbstbestimmte Kultur und Politik geführt werden soll. Ein - von vielen als bitter nötig empfundener - Freiraum würde zerstört. Ein (oft leider nur teils realisierter) Freiraum beispielsweise von rassistischer und sexistischer Diskriminierung, Konsumzwang und Kommerz. Für uns ist die alternative ein kleiner Versuch, Teile unseres Lebens in die eigene Hand zu nehmen. Auch basisdemokratische Entscheidungsfindung und freiwillige (unentgeltliche) Arbeit sind für uns Teil einer gesamtgesellschaftlichen Utopie.

Auch wenn die alternative lediglich von einer so genannten „radikalen Minderheit” genützt würde, hätte sie ihre Daseinsberechtigung. Wichtig ist, den Unterschied der herrschenden Kultur zu der der alternative wahrzunehmen und sich demzufolge auch einer „Walli als Wirtschaftsfaktor”-Ideologie zu verweigern.

Der Verweis auf hohe BesucherInnenzahlen, Jugendarbeit etc. kann nur angebracht werden, um die potentielle Stärke des Widerstandes gegen eine Vertreibung der alternative zum Ausdruck zu bringen.

 

Allein machen sie dich ein!

 

Die Politik, die jetzt die alternative treffen soll, betrifft längst diverse andere Projekte. So hat hat die CDU bereits in der ersten

Bürgerschaftsversammlung mit ihrer Mehrheit bewiesen, wohin ihr Weg führen soll. Das Frauenbüro und die Gesamtschule Schlutup sind von einem massiven Kahlschlag betroffen.

Es gilt nun, sich mit bedrohten sozialen und kulturellen Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Gruppen zu solidarisieren und gemeinsam Widerstand zu leisten.

 

alternative verteidigen!

für ein selbstbestimmtes leben - ohne kommerz und kapital!

 

gruppe tuwat, Mai 2003